Entropie und Syntropie in „The Simulacra“

Liest man das Buch „The Simulacra“ von Philip K. Dick könnte man wohl die verschiedensten Theorien zu Entropie und Syntropie aufstellen. Das Buch bietet eine Fülle an Sozialstrukturen, Systemen und Geschichtssträngen die bei genauer Betrachtung Nährboden für vielerlei Interpretationen und Theorien ergeben.

Wir wollen uns hierbei jedoch für eine bestimmte Hypothese interessieren, der Vergleich der Sozialstrukturen von Mars und Erde als Repräsentanten von Entropie und Syntropie.
Sehr früh in der Geschichte werden diese zwei verschiedenen Gesellschaftssysteme, etabliert auf anderen Planeten, erwähnt. So zieht Ian Duncan bereits auf Seite 21 in Erwägung zum Mars auszuwandern, in die „martian wilderness“. 1

Die Hypothese befasst sich also mit dem Vergleich der Erde als syntropisches System, fixiert durch Regeln und strengen Auflagen das Unberechenbarkeit und Chaos unter Kontrolle halten soll. Man blickt auf ein im weitesten Sinne totalitäres System, in dem Menschen nach Klassen unterschieden werden, Unterhaltung durch propagandistische Erziehung ersetzt wurde und alles streng unter Kontrolle steht, so streng dass die Freiheit des Menschen dabei vollkommen übergangen wird. So ist die Rede des Präsidenten, die angekündigt wurde, für alle verpflichtend, sowie das anwesend sein bei Versammlungen. Es besteht nicht die Möglichkeit, ohne der Gefahr von Strafe, freie Entscheidungen zu treffen. Zwar haben wir es hier mit einem mehr oder weniger sicheren System zu tun, dass den Menschen die gewünschte Sicherheit gibt, andererseits mit einem unnatürlichen System, welches hohen Aufwand benötigt um aufrecht erhalten zu werden.

Im Gegensatz dazu haben wir in zahlreichen Beschreibungen der Erdenbewohnern das Gesellschaftssystem der Marskolonien beschrieben. So erfahren wir von Vince Strikerock, dass auf dem Mars jeder ein Wahlrecht hätte, sogar „things with eight legs and stingers“.2 Es soll ein Ort voll von „warm hospitality“ sein, ein Ort an dem „you’re your own boss […], free to work your farm land, believe your own beliefs, become yourself.” 3 Auf der Erde spricht man von Mars wie von einem Paradies, einem natürlichen Paradies, fern ab von den strengen Regeln der Erdengesellschaft, ihren Auflagen, was man zu tun hat wenn man einer bestimmten Klasse angehört. Es ist ein Gesellschaftssystem in dem keine von Menschen vorgegebenen Regeln zählen, sondern das natürliche Selbst sein. Also ein natürliches System? Ein System in dem man der Freiheit näher ist, dafür aber mit dem Gefühl der Sicherheit bezahlen muss? Kann man das System auf dem Mars als ein System der Entropie bezeichnen? Ein System in dem jeder zu seiner natürlichen Art zurück kehrt, sich aus der Kontrolle, die Chaos und Unberechenbarkeit, sprich Gefahr, verhindern soll, herauswagt? Das Leben in den Kolonien wird als keinesfalls leicht dargestellt. Immer wieder werden widrige Umständen erwähnt, man arbeitet als Farmer, kämpft mit neuen Stimuli. Es ist das Leben eines Pioniers, das jedoch auch des Komforts von Sicherheit entbehrt.

Interessant genauer zu betrachten bleibt der ewige Zwiespalt der Menschen die Dick in seinem Roman beschreibt. Zwar wird der Wunsch auf den Mars auszuwandern oft erwähnt, von vielen verschiedenen Menschen, andererseits findet man eine große Masse an Menschen vor, die ohne weiteres bereit ist sich leicht manipulieren und lenken zu lassen von dem auf der Erde vorherrschenden System. So fällt es niemanden auf, dass Nicole eine ständig wechselnde Schauspielerin ist? Oder ist man bereit dieses offensichtliche Fakt zu übergehen, nur um das aufgebaute System der Syntropie, das Sicherheit und Ordnung garantieren soll, zu erhalten? Wie viel ist man bereit in Kauf zu nehmen für dieses System? Und ab wann kommt der Wunsch auf, diesem System zu entkommen? Der Wunsch gleichzeitig Sicherheit und Kontrolle über seine Umwelt zu haben, ebenso wie Freiheit und Natürlichkeit zu bewahren spiegelt sich in diesem Gegensatz wider.
Jedoch bleibt offen, wie bei den meisten von Dicks Geschichten, welches dieser System im Endeffekt besser für den Menschen sein zu scheint.

Alle Zitate aus:
Dick, Philip K.: The Simulacra. Vintage Books: U.S.A. 2002
1) Seite 21
2) Seite 25
3) Seite 49

Die innere Sicherheit

Gerade in der heutigen Gesellschaft ist Stabilität, Sicherheit und Ordnung ein nicht unwesentliches Thema der Medienkultur. Alleine die aktuelle Weltwirtschaftskrise nimmt den Menschen einen Grad an Sicherheit, es gibt kaum jemanden, der nicht betroffen ist. Es bedarf also nicht einmal an einem so extremen Beispiel wie Krieg in weit entfernten Ländern. Das Chaos betrifft selbst Bürger, in einem sonst so sicherem und stabilen Land wie Österreich oder Deutschland es sind.
Im Grunde ist unser Gesellschaftssystem schon lange auf Sicherheit aufgebaut. Es gilt das Chaos zu verhindern. Denn im Grunde gibt es nichts, was den Menschen mehr Angst macht als der Verlust von Kontrolle. Natürlich, in Philip K. Dicks Texten ist die politische, gesellschaftliche Situation bei weitem drastischer dargestellt als wir sie in der Realität kennen. Vermutlich ist diese Art von Vermittlung seine Methode um uns Dinge vor Augen zu führen, welche wir ohne Übertreibungen nicht genug beachten würden.
Erst in Extremsituationen wird uns Menschen bewusst, wie tief wir uns bereits in einen unkehrbaren Prozess hinein manövriert haben. Spielt das Wetter verrückt, wartet man auf baldig wiederkehrende Stabilität des Klimas. Erst bei Katastrophen, wie Wirbelstürmen, Tsunamis, etc. erhält die Veränderung zur Entropie hin Aufmerksamkeit, und man spricht vom Klimawandel, gegen den etwas unternommen werden muss.
Generell ist die Angst vor der eigenen Vernichtung immer anwesend, da es sich hierbei doch um einen unserer Urinstinkte handelt. Und doch, werden wir uns dessen meist immer erst viel zu spät bewusst.
Philip K. Dicks hält uns vor Augen, was wir zu verdrängen versuchen. Wer sich immer schon mit dem Thema auseinandergesetzt hat, und das auch mit größter Wahrscheinlichkeit in Zukunft tun wird ist die Medienlandschaft. Vermutlich auch in dem Wissen, dass dieses Thema nie unaktuell oder unoriginell sein wird.
Um ein Lied aus den Charts als Beispiel anzuführen, welches das typische Ersehnen nach Sicherheit und Schutz im Kampf gegen das Chaos darstellt:

http://www.dailymotion.com/video/x87f42_silbermond-irgendwas-bleibt-video-p_music

Die Ironie an der ganzen immer wieder aufgegriffenen Thematik ist doch, dass Philip K. Dicks immer wieder betont, wie Individualität, folglich auch Kunst aus dem stabilen Gesellschaftssystem verbannt werden muss, um Entropie verhindern zu können. Wo doch gerade Kunst uns auf das herannahende Übel aufmerksam macht, statt es zu ignorieren.
Auch scheint es, als ob sich viele Menschen an die ihnen zur Verfügung stehenden Medien festhalten, ihnen Vertrauen schenken, um sich schließlich sicher und bestärkt fühlen zu können.
Die Medienkultur ist der Bereich, so scheint es, welcher den Menschen Fragen auf ihre Antworten liefert, statt wie die Politik es gerne tut, diese zu beschwichtigen beziehungsweise ganz darüber hinweg zu sehen.
Hierbei handelt es sich wohl um die innere Sicherheit eines Menschen, im Unterschied zur äußeren Sicherheit, welche durch ein totalitäres Gesellschaftssystem erreicht werden kann oder will.
Vielleicht aber liegt die Lösung gerade darin, nicht auf die äußere Sicherheit eines Kontrollstaates, sondern vielmehr auf die innere Sicherheit der Menschen zu bauen.
Ihnen wie auch Philip K. Dicks bewusst zu machen, was nicht unbewusst bleiben sollte, sie folglich zum Nachdenken anzuregen, sie dazu zu bewegen, auch etwas ändern zu wollen, und auch, nicht zu vergessen ihnen gleichzeitig das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht alleine in ihrer Angst vor Chaos und Vernichtung sind.

„12 Monkeys“ und das unendliche Kontinuum der Zeit

Entropie scheint überall zu sein. Auch die Medien greifen das überaus dankbar zu verarbeitende Thema immer wieder auf. Manchmal offensichtlicher, manchmal weniger offensichtlich.
Prägt Zeitreise ein Medium Film, wird Entropie durch die Veränderung, den Wandel, welcher zwischen den zwei gegensätzlichen Welten passiert ist, deutlich sichtbar.
Im Film “12 Monkeys” reist Cole im Auftrag der Wissenschaft in die Vergangenheit, um die Katastrophe, welche die Menschheit einst heimsuchte zu verhindern. Ein Virus löschte beinahe die ganze Erdbevölkerung aus. Die wenigen Überlebenden hausen nun unter der Erde, isoliert und von der Wissenschaft dominiert. Cole als Gefängnisinsasse bekommt die Gelegenheit aus seiner schier aussichtslosen Situation entfliehen zu können. Er wird auf eine Reise in die Vergangenheit geschickt, mit der Aufgabe die Urheber des Virus zu finden und schließlich das Chaos zu verhindern.
Das alles klingt sehr nach Philip K. Dicks “The Skull”, wenn doch grundsätzlich ein anderes Motiv hinter Congers Zeitreise steckt. Jener soll den Mann finden, welcher in der Vergangenheit die entscheidende Rede hielt, und eben diese Aussprache rechtzeitig zu verhindern wissen.
Coles Aufgabe in der Vergangenheit ist es, den Mann zu finden, welcher das Virus entwickelte und schließlich auf der ganzen Erde verteilte. Die Folge seines Aufenthaltes in der Welt bevor das Chaos ausbrach, und die Katastrophe alles Leben zerstörte ist, dass er nun gar nicht mehr zurück möchte in die Unterwelt. Das noch friedliche, sorglose Dasein oberhalb der Erdoberfläche treibt ihn dazu hier bleiben zu wollen, so wie auch George Miller in “Exhibit Piece” nicht mehr in die Welt möchte, aus der er ursprünglich zu kommen glaubte.
Interessant bezüglich Entropie ist vor allem auch das Ende des Filmes, bei dem Cole knapp sein Ziel verfehlt, den Entwickler des Virus noch rechtzeitig aufzuhalten, ihn am Fliegen zu hindern. Die Flughafenszene, welche sich ihm während des ganzen Filmes immer wieder in sein Gedächtnis, in seine Träume schleicht, tritt nun in die Gegenwart, oder, wenn man so will, in die Vergangenheit, in welche er ja zurückversetzt wurde. Als Kind wurde Cole Zeuge eines Mordes, was ihn sein Leben lang in Erinnerung bleibt.
Dieses Ereignis, welches ihn so derart geprägt hat, ist wohl gleichzeitig Coles Vergangenheit und seine Gegenwart, denn im Moment befindet er sich am Flughafen, in Gestalt eines erwachsenen Mannes. Ein kleiner Junge beobachtet das ganze Geschehen, die Verfolgungsjagd zwischen dem erwachsenen Cole und dem Bösewichten. Er muss schließlich mit ansehen, wie der Mann erschossen wird. Cole schafft es also nicht, den Chaosausbruch zu verhindern. Stattdessen stirbt er bei dem Versuch.
Hier stellt sich die Frage, was passiert wäre, wäre Cole nicht durch die Zeitreise vor Ort gewesen. Natürlich, der Virus wäre so und so ausgebrochen. Anders als in “The Skull”, wo sich Conger schließlich selbst als der Verantwortungsträger herausstellt.
Jedoch, Cole hätte als Kind die Verfolgungsjagd nicht beobachten können, er hätte seinen eigenen Tod nicht mit ansehen müssen. Vielleicht hätte sich seine Persönlichkeit dadurch völlig anders entwickelt, er wäre nicht derselbe geworden. Auch nicht auszuschließen ist, dass er als nicht traumatisiertes Kind auch nicht als Gefängnisinsasse geendet hätte, und so auch nicht in die Vergangenheit geschickt worden wäre. Wäre er also nicht in die Vergangenheit gereist, hätte er sich auch an diesem Tag, um diese Zeit als erwachsener Mann nicht an eben diesem Ort befinden können. Er wäre nicht erschossen worden, und der Junge wiederum hätte diesen Vorfall nicht miterlebt.
Der Kreislauf ließe sich unendlich lange fortsetzen. Die Frage nach dem “was wäre wenn” ist eine, die sich uns immer wieder stellt. Gerade bei der Beschäftigung mit dem Thema Entropie aber kommt man nicht darum herum sich mit dem unendlich wirkenden Zeitkontinuum zu beschäftigen. Die Zeit ist Veränderung, und Veränderung löst dann wiederum einen anderen Prozess aus. Man könnte also vom Dominoeffekt sprechen, der sich ins Unendliche fortsetzt, und uns schlussendlich eine Menge an unbeantworteter Fragen liefert.

Quelle:
12 Monkeys, Regie: Terry Gilliam, DVD, Concorde Video 1997 [12 Monkeys, USA 1996]

Wozu Beherrschung der Entropie führen kann

In unserer Gesellschaft herrscht kontinuierlich das Bedürfnis, Ordnung herzustellen bzw. Ordnung aufrecht zu erhalten, um das Phänomen Entropie zu verhindern oder es zumindest möglichst gering zu halten.
Die Vergangenheit zeigt uns aber, dass dieses Ziel enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben kann. Durch diverse Revolutionen oder andere Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens soll eine Änderung hervorgerufen werden und somit eine (Neu)Ordnung festgelegt werden. Oft führt aber eine derartige Neuordnung zu erheblichen Ungerechtigkeiten für bestimmte Menschengruppen. Die bisherige Geschichte kennt viele derartige Beispiele.

Die Ereignisse während des 2. Weltkrieges und deren Auswirkungen auf die Menschen sind wohl die bekanntesten.
Entropie definiert sich bekanntlich durch das Maß an Ordnung, daher: umso geordneter eine Gesellschaft ist desto niedriger ist die Entropie und umgekehrt.
Bevor es zum verheerenden Krieg kam, befand sich der Großteil der Welt in einer wirtschaftlichen Krise, denn durch den 1. Weltkrieg wurde die Wirtschaft immens gestört. Arbeitslosigkeit und Armut beherrschte den Alltag, es bestand also schon ein gewisser Grad an Entropie. Durch bestimmte Maßnahmen wurde versucht die Ausprägungen von Entropie neu festzulegen, eine neue Ordnung zu schaffen. Um Entropie zu verringern benötigt es Energie von außen, so genannte soziale Energie, also direkte oder indirekte Zwangsmaßnahmen, kurz gesagt Kontrolle. Auch Manipulation gehört durchaus zu einer gängigen Methode, um Ordnung wieder herzustellen und diese Handhabung wurde auch im Nationalsozialismus verwendet.
In der nationalsozialistischen Weltanschauung galten Juden, aber auch andere Minderheiten, als rassisch minderwertig. Schrittweise wurde gegen sie vorangegangen, um bessere Lebensumstände für die „besseren“ Menschen zu schaffen.

In der Folgezeit bis zum Ende des Dritten Reiches wurde die Rechtsstellung, vor allem die der Juden, durch eine Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen weiter beschränkt, die fast alle Bereiche des öffentlichen als auch des privaten Lebens betrafen. Die Liste ist lang, aber endet schlussendlich dadurch, dass das Regime den „rassisch Minderwertigen“ die Freiheit und das Recht auf Leben nahm. Die Lösung der Judenfrage sah man schließlich in der totalen physischen Vernichtung des Judentums.

Entropie kann ebenfalls als Informationsverlust verstanden werden. Sicherlich kann man behaupten, dass es wohl keinen sehr großen Informationsgehalt gab, der wiederum zu einer gewissen Entropie und daher zu einer gewissen Unordnung führte.
Weiters könnte man sagen, während für die einen ein sehr geringer Grad an Entropie herrschte (Wirtschaft erholte sich, gesunkene Arbeitslosenrate, mehr Einkommen), befanden sich die anderen in einem ziemlich hohen entropischen Zustand (keine Selbstbestimmung, kein Recht auf Freiheit, Angst um das eigene und das Leben seiner Familie).
Prinzipiell war der Nationalsozialismus durch absolute Kontrolle aller Menschen geprägt und erlaubte keine Kritik an seiner Ideologie. Er nahm den Menschen das Recht auf ihre persönliche Meinung und das Recht sein Leben eigens zu bestimmen. Wer sich gegen das Regime stellte, wurde rasch zur Rechenschaft gezogen, als störend angesehen und darauf vom System ausgestoßen, eliminiert. Denn das „System“ durfte nicht in Gefahr gebracht werden.
Die Geschichten von Philipp K. Dick spielen vorwiegend in überwachten Staaten, in denen ebenfalls alles kontrolliert wird. Sowohl während des Nationalsozialismus als auch in vielen Arbeiten von Dick geht es darum Ordnung zu schaffen, oder zu erhalten und gegen mögliche Störfaktoren etwas zu unternehmen.
So auch in Exhibit Piece, als sich der Protagonist anfangs in einer Zeit befindet, deren Regierung von starker Kontrolle und einer daraus resultierenden Ordnung geprägt ist. Als er sich weigert von der anderen Realität in diese zurück zu kehren, wird ihm mit der Todesstrafe durch Euthanasie bzw. die Vernichtung seiner Realität gedroht.
In diesem Zusammenhang lassen sich auch Parallelen zum 2. Weltkrieg ziehen, welche daraus resultieren, dass sich das Regime ebenfalls nicht anzweifeln ließ.
In den Vorstellungen der Menschen wird Entropie dadurch verhindert, dass Ordnung durch eine absolute Kontrolle ein möglichst geringes Maß an Entropie garantiert. Einzelne Elemente, die gegen diese für gut interpretierte Ordnung ankämpfen, könnten eine abrupte Erhöhung der Entropie verursachen und daher gilt es sowohl in Exhibit Piece, als auch während des Nationalismus diese störenden Elemente „ruhig zu stellen“.

Kann Entropie Sünde sein?

Beim Lesen der Kurzgeschichte „Stability“ von Philip K. Dick bemerkten wir eine dezente, aber durch Interpretation erkennbare Anspielung auf Religion in der Geschichte und zwar in dem angesprochenen Mythos der eingesperrten, bösen Stadt in der Glaskugel.

“The legend says that once there was a very evil city, it was so evil that God made it small and shut it up in a glass, and left a watcher of some sort to see that no one came along and released the city by smashing the glass.” (S.9) 1

Benton reist mit seiner selbst erfundenen Maschine durch Raum und Zeit und findet dort eine unscheinbar wirkende Glaskugel. Diese beinhaltet eine kleine Miniaturstadt, die aussieht „like an ancient one such as Tyre or Babylon […].“ (S.9). 2
Babylon ist aus dem Alten Testament(1.Mose 11) als Inbegriff des nicht-gläubigen Menschen bekannt. Dort sprachen alle die gleiche Sprache und sie planten einen Turm zu bauen, der bis zum Himmel reichen sollte, so dass Gott sprach:
„ Seht nur, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle.[…] Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht. Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.“ 3

Als weitere Erklärung dieser Bibelstelle wird in der oben genannten Ausgabe in einer Fußnote erläutert:
„11, 1-9 An der alten Tradition von Babel als dem Schauplatz der Sprachverwirrung zeigt der Erzähler, dass hohe Zivilisation ohne Bindung an Gott die Menschen nicht eint und innerlich einander näher bringt, sondern sie entzweit, sodass sie sich gegenseitig nicht mehr verstehen.“4

Demnach kann in diesem Zusammenhang die Instanz Gott als entropiesteigernde Macht angesehen werden, da für „Verwirrung“ unter der Menschheit gesorgt wird, als Strafe dafür, dass sie ohne Gott leben wollte. Die vorherrschende Gesellschaftsform wird aufgelöst und die komplette Menschheit muss mit der neuen „verwirrenden“ Situation zurecht kommen. Die Menschen werden über die ganze Welt zerstreut. Ein Leben mit gesteigerter Entropie entsteht.

Weiterhin kann die Glaskugel auch in Verbindung mit dem griechischen Mythos der Pandora gestellt werden.

Pandora, „(a)ls Werkzeug der Götter, die ihre Vormachtstellung bedroht sehen, wird (sie) vom göttlichen Schmied Hephaistos auf Befehl des Zeus erschaffen, der damit den Feuerraub des Prometheus rächen will. Von den Bewohnern des Olymps mit allen guten Gaben, wie Schönheit, Klugheit, Geschicklichkeit, einer Stimme, aber auch Arglist und „hündischem Sinn“ ausgestattet, bringt Hermes sie zu Epimetheus. Dieser nimmt, ungeachtet der Warnungen seines Bruders Prometheus, das Geschenk an. Im nächsten Moment öffnet die Frau bereits jene berühmte Büchse, die in der ursprünglichen Überlieferung jedoch ein pithos, ein großes tönernes Gefäß ist, aus dem alle Übel in die Welt entweichen. Einzig die Hoffnung bleibt unterm Rand des Gefäßes hängen.“ 5

Dieser griechische Mythos wird oft in den biblischen Zusammenhang mit Eva und dem Sündenfall gebracht, da Eva, wie Pandora durch eine eigenständige Tat die „Sünde“ ins Paradies holt. 6
Somit kann gesagt werden, dass Benton wie Eva oder Pandora durch die eigenmächtige Zerschlagung der Glaskugel „das Böse“ frei lässt und wieder „Sünde“ auf die Welt holt.

Durch diese Taten egal ob von Eva, Pandora oder Benton wird mehr Entropie in das vorhandene System induziert, was zu einer völligen Änderung der bisherigen Lebens- und Gesellschaftssituation führt. Pandora bringt Unheil, Tod und Verderben über die Menschheit, Eva die Sünde und somit die Vertreibung aus dem Paradies und Benton die böse Stadt, die mit ihrer Freilassung das vorhandene System der „Stability“ vernichtet. Die „Stability“ wird also gleichgesetzt mit dem Paradies aus der Bibel und dem heilen Urzustand bei Pandora.

Geht man nach Manfred Wöhlcke, so ist ein gewisser Grad an Entropie notwendig, um ein erfülltes menschliches Leben in einer modernen, zivilisierten Gesellschaftsform zu führen. 7
Ohne Entropie wär unser heutiges Dasein, so wie wir es kennengelernt haben in unserer bekannten Lebens-und Gesellschaftssituation nicht möglich. Allerdings stellt sich nun die Frage, ob wir überhaupt in einem entropielosen „Paradies“ für längere Zeit existieren könnten, oder würden wir nicht etwa alle genauso wie Eva, Pandora oder Benton handeln?

Quellen:
1)https://moodle.univie.ac.at/mod/resource/view.php?id=53542
2)https://moodle.univie.ac.at/mod/resource/view.php?id=53542
3)Die Bibel, Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament, herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, Herder, Stuttgart, 1980, 1 Mose 11, 1-9.
4)Die Bibel, Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament, herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, Herder, Stuttgart, 1980, 1 Mose 11, 1-9.
5)http://www.deutschlandstudien.uni-bremen.de/tagungen/09_pandora/CfP_pandora_de_0910.pdf
6)Vgl 1Mose 3, 1-24 und Mythos Pandora, Texte von Hesiod bis Sloterdijk, Hrsg.: Renger, Almut-Barbara; Musäus, Immanuel,Reclam, Leipzig, 2002.
7)Vgl Wöhlcke, Manfred: Das Ende der Zivilisation: über soziale Entropie und kollektive Selbstzerstörung, überarbeitete Neuausgabe, München: Dt. Taschenbuchverlag, 2003.

Entropie als Weltfrieden, Entropie als Krieg.

Das Unmenschliche an der menschlichen Natur.

Entropie ist ein Maß für die Unordnung, oder das Chaos, in einem abgeschlossenen System. In Dicks „The Skull“ wird diese Unordnung ausgedrückt als eine frei expandierende Weltbevölkerung, deren Anzahl nicht von Kriegen gemindert wird. Es herrscht eine von der „First Church“ gestartete Bewegung, die den Weltfrieden unterstützt und sichert. Steht Entropie als Metapher für „Unordnung“ oder gar „Chaos“, dann findet sich hier ein Paradoxon. Einerseits stellt Dick die krieglose Welt als chaotischen Ort dar, wo die uneingeschränkte Expansion sämtliche Gewohnheiten über den Haufen wirft. Andererseits will eine kleine Gruppe von Menschen dieses Chaos durch den eigentlich für uns offensichtlich als Ausnahmezustand und eben Chaos geltenden Krieg beenden:

“But we can take a more objective view of war today. What was so terrible about it? War had a profound selective value, perfectly accord with the teachings of Darwin and Mendel and others. […] War acted to reduce their numbers; like storms and earthquakes and droughts, it was nature’s way of eliminating the unfit.’” (S.3)

Die Frage, die sich hier stellt, ist: kann Entropie im Sinne von Chaos gleichzeitig Weltfrieden und Weltkrieg sein? Sie kann es insofern, als das sie beim Weltfrieden als deren Konsequenzen fungiert und beim Krieg als die Tatsache der gewaltsam geschaffenen Unordnung an sich.

Man könnte zusammenfassen, dass hier durch Terror (für die Überlebenden) eine bessere Welt geschaffen werden soll. Ein kontroverses Unternehmen, dass sich auch in unserer gegenwärtigen Welt nur zu oft zeigt. Vor zwei Tagen, am 19.Juni 2008 detonierte in der spanischen Ortschaft in der Nähe von Bilbao eine Autobombe, die einen Polizisten tötete. Die ETA wird hinter dem Anschlag vermutet, sie hätte im Vorfeld davor gewarnt. Das Ziel der Untergrundorganisation ETA ist es, ein freies, unabhängiges Baskenland zu erzwingen. Seit März führt dort erstmals seit Jahrzehnten ein Nationalist, der jegliche Verhandlungen mit der ETA ablehnt, die Regionalregierung. Eine „Welle des Terrors“ wurde angekündigt.
Eine Welle des Terrors würde auch der Bevölkerung in „The Skull“ bevorstehen, wenn die „First Church“ tatsächlich vor ihrer Vernichtung stünde.

Jedes Paralleluniversum Philip K. Dicks bekommt, wenn man es mit der unserer realen Gegenwart vergleicht, einen makaberen Beigeschmack. Die oft auf den ersten Blick absurd erscheinenden Geschichten finden immer eine logische Erklärung in der menschlichen Natur. Diese menschliche Natur, oft irrtümlicherweise als „unmenschlich“ bezeichnet, äußert sich in „The Skull“ durch das pragmatische und machtgieriger Vorgehen von Menschen, die sich selbst durch das Verbreiten von Leid an die Spitze stellen.

Ein Weltkrieg würde den Weltfrieden ablösen und geordnete Verhältnisse schaffen. Lässt sich ein Krieg damit rechtfertigen? Lassen sich die Taten der ETA, die schon über 800 Todesopfer forderten, in irgendeinem Zusammenhand mit dem, was sie erreicht haben, sehen? Hier teile ich meine Meinung mit Marcus Tullius Cicero: „Den ungerechtesten Frieden finde ich immer noch besser als den gerechtesten Krieg.“

Vgl. Dick, Philip K, „The Skull“, Lernplattform Moodle, https://moodle.univie.ac.at/mod/resource/view.php?id=53543, 20.Juni 2009; (1952).
Dick, Philip K, „The Skull“, Lernplattform Moodle, https://moodle.univie.ac.at/mod/resource/view.php?id=53543, 20.Juni 2009; (1952), S.3.
Vgl. „Bombenanschlag im Baskenland“, derStandart.at, http://derstandard.at/fs/1244460984656/Polizist-gestorben-Bombenanschlag-im-Baskenland 19.Juni 2009, 20.Juni 2009
Marcus Tullius Cicero, „Krieg Zitate“, http://zitate.net/zitate/krieg/zitate.html 20.Juni 2009

Syntropie

Da keine eindeutige Definition zu dem Begriff Entropie existiert, liegt es nahe, dass es sich ebenfalls als äußerst schwierig erweist einen allgemeinen Begriff einzuführen, der als Gegensatz zur Entropie verstanden werden kann. Der Begriff Syntropie wird aber dennoch von einigen soziologischen WissenschaftlerInnen, unter anderem auch Manfred Wöhlcke, verwendet. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Medizin und meint das gleichzeitige Auftreten mehrerer Krankheiten. In der Soziologie bezeichnet er die ständige Ausdifferenzierung und Aufbau von Ordnungsstrukturen um völlige Entropie zu verhindern. (vgl. Wöhlcke 1996, S 15)

In allen Gesellschaften herrscht ein Prozess der sozialen Entropie, der aber wiederum der sozialen Syntropie entgegenwirkt. Damit die Funktion und die Struktur sozialer Systeme erhalten, aufgebaut oder verbessert werden kann, benötigt es einen bestimmten Aufwand an sozialer Energie. Unter dieser sozialen Energie versteht man, wie schon im vorherigen Eintrag erwähnt, sowohl direkte als auch indirekte Zwangsmaßnahmen, sprich Kontrolle, die bereitgestellt werden müssen. Mit sozialer Kontrolle bezeichnet man daher alle Normen, Werte oder auch Aktivitäten, die dem gesellschaftlichen Zerfall entgegenwirken sollen. Damit stellt sich aber die Frage, ob diese soziale Kontrolle ausreicht um den Zustand hoher Ordnung aufrecht zu erhalten. Wenn man diese Frage mit nein beantwortet, bedeutet dies, dass es zu einem Zustand der größt- möglichen Unordnung kommt und die Gesellschaft schlussendlich zerfällt.
Floglich ist es Verständlich, dass weder ein erheblicher Grad an Entropie noch eine erheblicher Grad an Syntropie förderlich ist, obwohl natürlich eine Zunahme der Entropie in einer Gesellschaft eher problematisch ist und zwar eben dann, wenn der Prozess der sozialen Entropie stärker ist als der Prozess der sozialen Syntropie. Zu bemerken ist jedoch, dass eine Zunahme von Entropie aber auch der Anlass für einen konstruktiven Wandel sein kann, durch den gesellschaftliche Elemente neu überdacht werden, um eine bessere syntropische Struktur herzustellen.
Wenn wir also davon ausgehen, dass es in jedem System ein optimales Gleichgewicht zwischen syntropischen und entropischen Kräften her zu stellen ist, muss man erwähnen, dass dieses meist sehr labil ist. Abgesehen davon ist es in der Wirklichkeit nur sehr selten zu erreichen bzw. gelingt es nur für eine kurze Zeit. Daher ist es verständlich, dass die Balance zwischen Entropie und Syntropie dazu neigt in die eine oder andere Richtung zu kippen. (ebd. vgl. ebd., S 16 ff)
Lange standen sich Chaos und Ordnung als unversöhnliche Gegensätze gegenüber. Dieser Annahme scheint wohl seit ein paar Jahrzehnten jedoch aufgehoben, da sie keine einander ausschließenden Prinzipien mehr sind, sondern vielmehr besitzen sie beide das Kennzeichen der Rückkopplung von Wirkung und Ursachen. (vgl. Küppers 1996, S 7ff) Weiters lässt sich durch einen großen Aufwand an sozialer Energie meist ein hoher Zustand der Entropie in einen Zustand hoher Syntropie zurückführen. Aber was kann Entropie aufhalten? Revolutionen oder ähnliche syntropische Versuche Entropie zu verhindern können dies wohl nicht, sondern beschleunigen viel mehr den Prozess des Zerfalls. Eher muss der erforderliche Aufwand des Aufbaus, der Differenzierung und der Erhaltung in einem ausreichenden Umfang geleistet werden. Während in den einfacheren Gesellschaften die syntropischen Kräfte noch überwiegen, macht sich die soziale Entropie in komplexen Gesellschaften bemerkbar, indem sie sich schädlicher auswirkt und hat daher auch weitreichendere Konsequenzen. (vgl. Wöhlcke 1996, S 27)

Quellen:

Wöhlcke, Manfred: Soziale Entropie. Die Zivilisation und der Weg allen Fleisches.-München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1996

Küppers, Günter: Chaos und Ordnung. Formen der Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft.-Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1996

Soziale Entropie

Durch die Beschäftigung mit dem Thema Entropie sind wir auf vielerlei unterschiedliche Ansätze und Anschauungen bezüglich der angesprochenen Thematik aufmerksam geworden.
Das Facettenreichtum dieses Begriffs sorgte immer wieder für Überraschungen, da sich auch die „Gelehrten“ manchmal uneinig sind und sich in ihren Schriften auf unterschiedliche Auslegungsformen anlehnen, so dass Entropie in Bezug auf die Thermodynamik „ein Maß für die Umkehrbarkeit bzw. Nichtumkehrbarkeit energetischer Prozeße“ 1 darstellt und in der Wahrscheinlichkeitstheorie als „ Maß für Ordnung bzw. Unordnung“ 2 verwendet wird.
Da wir uns aber bei weiterer Behandlung dieser Sichtweisen in physikalischen und mathematischen Detailles verloren haben, ließen wir schnell ab davon und widmeten uns anderen Sparten, die mehr unserer Auffassungsgaben entsprachen.
Somit gelangten wir zur Soziologie.
In dieser Disziplin waren die Wissenschaftler auch nicht immer der gleichen Ansicht. Deshalb wollen wir festhalten, dass hier im weiteren Verlauf Entropie in Anlehnung an die, für uns nachvollziehbar und logische, Definitions- und Argumentationskette nach Manfred Wöhlcke behandelt wird.
Dieser definiert den schwer zu fassenden Begriff Entropie mit der These, dass „in geschlossenen Systemen irreversible Prozesse ablaufen, die zum Zustand größter Wahrscheinlichkeit und damit zu größter Unordnung tendieren. Es kommt zur sogenannten Dissipation von Energie und damit zu einem Zerfall der vorhandenen Ordnungsstrukturen: Der Grad der Entropie steigt. Dies läßt sich nur dadurch verhindern, daß dem betreffenden System von außen Energie zugeführt wird; das System muß als « geöffnet « werden.“ 3
Für uns war diese Definition einer der ersten verständlichen Hinweise, was Entropie bedeuten kann.
Wöhlcke, aus dem Bereich der Soziologie/Sozialwissenschaft kommend, überträgt die oben angeführte Erkenntnis auf soziale Gebilde, wie moderne Gesellschaften und der Welt im allgemeinen, also bezieht er sich auf „soziale Entropie“.
Soziale Entropie bedeutet nach Wöhlcke in gewissem Ausmaß „die Gentechnologie, die Durchsetzung der Nahrungsmittel mit Hormonen und Giften, die elektromagnetische Verseuchung, die Massenverblödung durch übermäßiges Fernsehen, der um sich greifende Autismus als Folge der bevorzugten Kommunikation mit Computern sowie die weltweit voranschreitende gesellschaftliche Verwahrlosung.“ 4
Viel mehr bezieht er sich jedoch in seinem durchaus satirisch verfassten Werk „Das Ende der Zivilisation – Über soziale Entropie und kollektive Selbstzerstörung“ auf die Bereiche Bevölkerungswachstum, Umwelt, Massenelend, Migration, Rüstung, Krankheiten und Drogen. Diese aufgeführten Teilbereiche menschlichen Lebens und Gesellschaft führt nach Wöhlcke zu immer mehr sozialer Entropie, die seiner Meinung nach nicht mehr aufzuhalten ist und früher oder später den Untergang der Menschheit und der Welt darstellt.
Auch in Philip K. Dicks Geschichten steht oft die Welt am Abgrund, kurz vor der irreversiblen Zerstörung der gesamten Menschheit. Auslöser für dieses endgültige Chaos ist die moderne Gesellschaft meist selbst. Unzufriedenheit, Krieg, Egoismus, Machtrausch oder blindes Hinterherlaufen führen auch in Dicks Texten zu einem gewissen Maß an sozialer Entropie.
Wöhlcke schreibt: „ich gehe davon aus, daß in allen Gesellschaften und ihren Teilsystemen ein Prozeß der sozialen Entropie wirksam ist, welche der sozialen Syntropie, also jener Energie, die den Aufbau sozialer Ordnung und Differenzierung fördert, entgegenwirkt. Es bedarf immer eines angemessenen Aufwandes an „sozialer Energie“ (=spezialisierter Fähigkeiten und Arbeit), um die Struktur und Funktion sozialer Systeme und Teilsysteme aufzubauen, zu optimieren, zu erhalten und in einem sich verändernden Umfeld anzupassen. Die erforderliche soziale Energie muß dann über direkte und indirekte Zwangsmaßnahmen („soziale Kontrolle“) bereitgestellt werden. Es ist allerdings äußerst schwierig, solche Zwangsmaßnahmen richtig zu dosieren: Autoritär organisierte Gesellschaften konzentrieren die kollektive Leistung auf ideologische Projekte und zerstören Eigeninitiative sowie die Kreativität; liberal organisierte Gesellschaften verlottern hingegen, weil viele Menschen freiwillig nicht einsehen wollen, daß Freiheit, Selbstdisziplin und Verantwortung zusammengehören müssen. Das Gesetz der Entropie greift in jedem Fall: Die Gesellschaften tendieren zum Zustand der größten Wahrscheinlichkeit und damit zur größten Unordnung; sie zerfallen“.5
In Minority Report, von Philip K. Dick, ist auch eine „autoritär organisierte Gesellschaft“ vorhanden, die durch skrupellosen Machtrausch unterwandert wird und zu sozialer Entropie führt. Ein System, in dem Gewalt- und Strafdelikte verhindert werden können bevor sie entstehen, mag auf der einen Seite ein friedlicheres Zusammenleben in einer straff organisierten Gesellschaft hervorrufen. Auf die einzelnen Individuen dieses Systems kann ein solches Leben jedoch zerstörerisch wirken. „Soziale Kontrolle“, wie bei Wöhlcke angesprochen bekommt dadurch eine ganz neue Bedeutung.
Nach längerer Lektüre des wöhlckschen Werks bekommt man demnach auch eine ganz andere Sichtweise auf die reale Situation, sowie einen offeneren Blick und vielleicht auch ein offeneres Verständnis für Dicks Texte.

Quelle:
Wöhlcke, Manfred: Das Ende der Zivilisation: über soziale Entropie und kollektive Selbstzerstörung, überarbeitete Neuausgabe, München: Dt. Taschenbuchverlag, 2003.

1) S.18
2) S.18
3) S.18
4) S.43
5) S.19 ff.

Dem Verfall unterworfen

In der Sozialwissenschaft wird Entropie auch oft als Synonym für Unordnung verwendet. Spräche man also von sozialer Entropie, würde man folglich soziale Unordnung meinen. Jedoch ist die Gleichsetzung von Entropie und Unordnung immer noch umstritten. Der Gebrauch von Entropie als dieses ist vor allem abhängig von den Zusatzbedingungen, von subjektiven Sichtweisen, und normativen Wertungen.
Woran es jedoch keinen Zweifel gibt ist, dass Entropie immer einen Mangel an Informationen, oder auch Ungewissheit an sich darstellt.
Entropiezunahme wäre folglich Informationsverlust. Zur Entropieverringerung braucht ein System seine Umwelt. Nur durch die Belastungen seiner Umwelt kann Entropie überhaupt wahrgenommen, und folglich dann verringert werden.
Gleichzeitig vermindert Entropiezunahme die Veränderungsfähigkeit eines Systems. Gemeint ist damit vor allem, dass sich ein System mit niedriger Entropie leichter ohne Belastungen seiner Umwelt verändern kann, während sich ein System mit maximaler Entropie aus eigener Kraft überhaupt nicht mehr verändern kann.

In der Politik und Wirtschaft nehmen die Prozesse, in denen Entropie in die Umwelt exportiert wird stetig zu. Hauptsächlich die Abfallproduktion wird wegen ihrer starken Belastung unseres Systems wahrgenommen, und kann somit versucht werden zu verhindern beziehungsweise zu vermindern. Ein Beispiel dafür wären die in vielen Ländern bereits gängigen Ökosteuer.

Grundsätzlich fällt den meisten Menschen schwer zu beschreiben und zu verstehen, was nun Entropie tatsächlich ist. Ob es sich also um Chaos, um Informationsmangel, um eine zerstörerische Kraft, oder einfach nur um einen physikalischen Begriff handelt.
Jedoch dort, wo es lebenswichtig ist haben wir Menschen alle ein Gefühl für Entropie. Wir sind dazu fähig auf unsere Instinkte und Intuitionen zurück zu greifen. Im Prinzip wissen wir alle um die Grenzen der Umkehrbarkeit wenn es um die Zerstörbarkeit von Dingen und Lebewesen geht bescheid. Der natürliche Prozess des Wandels lässt sich nicht abschalten. Er lässt sich nur mindern, mit anderen Worten, er lässt sich verlangsamen, aber nicht aufhalten. Der Mensch an sich weiß, auch ohne den Grund dafür erkennen zu können, dass sich die Entropie eines Systems ohne die Hilfe der Umwelt nicht verringern kann.
Ein System auf Ordnung und Stabilität beruhend also ist längerfristig genauso dem Untergang geweiht, wie das zunehmende Chaos ohne jeglichem Zutun. Es bedarf mehr als eine totalitäre Politik, welche Menschen in ihrer Lebensweise stark beeinträchtigt, ihnen vorschreibt, wie sie zu leben haben. Trotzdem scheint ein derartiges Gesellschaftssystem die nahe liegendste Lösung um Entropie zu vermeiden. Ein System, wo Individualität und Fortschritt keinen Platz haben dürfen. Solange keine Warnungen vor wahrscheinlich schädlichen Folgen dieses errichteten Systems sichtbar sind, hilft Verdrängung und Wissensvermeidung. Die menschliche Entfaltung, ob durch Kunst, Forschung, etc. wird der Stabilität des Systems untergeordnet. Hierbei handelt es sich nur um störendes Wissen, welches wiederum zu Widerstand und Rebellion führen kann. Krieg wäre eine Auswirkung ansteigender Entropie, welche wir alle nur zu gut kennen, und durch eben diese Festklammerung an Stabilität und Ordnung zu vermeiden versuchen…

Zur Verhinderung des Chaos

Wenn Entropie als Maßeinheit für Unordnung und Chaos zu verstehen ist, gibt es nicht nur das eine Extrem des totalen Zerfalls des jeweiligen Systems, sondern auch sein Gegenteil. In unserem Fall wäre das die Verhinderung des Chaos, man könnte es auch Stabilität oder Ordnung nennen. In Philip K. Dicks Text „Stability“ ist genau das die zentrale Thematik: die Stabilität eines Systems aufrecht zu erhalten. In „The Skull“ wird ebenfalls der Versuch einzelner Personen, das Chaos in Form freier und uneingeschränkter Expansion aufgrund einer vom Krieg befreiten Welt, zu beenden, geschildert: Ein Mann wird in die Vergangenheit zurückgeschickt, um jenen Menschen zu töten, der die Bewegung der „First Church“, welche als Garant für die krieglose Welt gilt, gestartet hat. Am Ende der Kurzgeschichte entdeckt der Zeitreisende, dass er selbst diese Bewegung starten muss, um zu überleben. Eine vom Chaos und der Unordnung geprägte Welt ist vorprogrammiert. Ein interessanter Aspekt daran ist das Paradoxon, das Chaos durch den eigentlich für uns offensichtlich als Chaos geltenden Krieg zu beenden. Ein Extrem eliminiert das andere. Stabilität und Ordnung wären im Idealfall die Folge. Doch weder in „Stability“, wo die längst vergessene „evil city“ am Ende die Herrschaft erringt und Menschen versklavt, noch in „The Skull“ werden die gewünschten Erfolge erzielt.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Alternative zur Stabilitätsmaximierung in Kurt Wimmers Film „Equilibrium“ gegeben: Jeder Mensch muss sich täglich ein Mittel injizieren, das ihn frei von Gefühlen sein lässt. Alle Kunst und alle Farben werden in dieser emotionslosen Welt verbannt und der Mensch fungiert nur mehr als Rolle in der Gesellschaft, welcher er täglich wie ein Roboter nachgeht. Alles ist in stillen, unaufregenden Grautönen gehalten, um jede Form der Sinnesreizung zu vermeiden. Die Machthaber wollen die Stabilität hier nach dem dritten Weltkrieg um jeden Preis aufrechterhalten, was eine Parallele zu Dicks „Stability“ darstellt. Jeder einzelne „Sinnestäter“, Menschen die irgendeine Art von Emotion zeigen oder Kunst besitzen, werden sofort „eliminiert“. Die Frage, die sich hier, wie auch in vielen von Dicks Erzählungen, stellt, ist: Was ist der Preis für die vorherrschende Ordnung? Im Falle von „Equilibrium“ ist es eine von der Regierung gesteuerte Gesellschaft, die keine einzelnen Individuen kennt, sondern als System zu funktionieren hat. Leuten, denen dieses System, in dem sie leben müssen, nicht gefällt, werden ermordet. Auf menschliche Bedürfnisse, die sich von den Grundbedürfnissen abheben, wird keine Rücksicht genommen. Der menschliche Fortschritt wird auf die Technik und Maximierung der Effizienz begrenzt, was alle künstlerischen Aspekte ausklammert. Auch wenn der Film dieses System der Gleichgültigkeit als falschen Weg hinstellt, müsste jeder Mensch für sich selbst entscheiden können, welches Leben er bevorzugt. Es gibt kein Richtig und kein Falsch.
Dieses Prinzip der Hin- und Hergerissenheit zwischen moralischen Werten und Nutzenorientierung verfolgt Philip K. Dick in vielen seiner Geschichten, so auch in „The Skull“: „Without war the mass of useless, incompetent mankind, without training or intelligence, is permitted to grow and expand unchecked. War acted to reduce their numbers; like storms and earthquakes and droughts, it was nature’s way of eliminating the unfit.” Schon Charles Darwin hatte recht damit, dass natürliche Selektion durchaus einen Sinn ergibt. Und so unmenschlich es klingen mag – einen gewissen praktischen Wert kann man dieser Ansicht nicht absprechen.

Doch egal ob erzwungene Gleichgültigkeit oder Krieg zur Chaosminderung, es sind Extremsituationen die auf andere Extremsituationen reagieren. In unserer heutigen, funktionierenden Welt würde niemand auf die Idee kommen, einen Krieg, der Millionen Opfer fordert, anzuzetteln, um daraus ganz persönlichen Profit zu schlagen, beziehungsweise wehrlosen Menschen Medikamente aufzwingen, die sie beruhigen und unschädlich machen.
Oder hat das Maß der Entropie bei uns schon einen kritischen Wert erreicht?