Liest man das Buch „The Simulacra“ von Philip K. Dick könnte man wohl die verschiedensten Theorien zu Entropie und Syntropie aufstellen. Das Buch bietet eine Fülle an Sozialstrukturen, Systemen und Geschichtssträngen die bei genauer Betrachtung Nährboden für vielerlei Interpretationen und Theorien ergeben.
Wir wollen uns hierbei jedoch für eine bestimmte Hypothese interessieren, der Vergleich der Sozialstrukturen von Mars und Erde als Repräsentanten von Entropie und Syntropie.
Sehr früh in der Geschichte werden diese zwei verschiedenen Gesellschaftssysteme, etabliert auf anderen Planeten, erwähnt. So zieht Ian Duncan bereits auf Seite 21 in Erwägung zum Mars auszuwandern, in die „martian wilderness“. 1
Die Hypothese befasst sich also mit dem Vergleich der Erde als syntropisches System, fixiert durch Regeln und strengen Auflagen das Unberechenbarkeit und Chaos unter Kontrolle halten soll. Man blickt auf ein im weitesten Sinne totalitäres System, in dem Menschen nach Klassen unterschieden werden, Unterhaltung durch propagandistische Erziehung ersetzt wurde und alles streng unter Kontrolle steht, so streng dass die Freiheit des Menschen dabei vollkommen übergangen wird. So ist die Rede des Präsidenten, die angekündigt wurde, für alle verpflichtend, sowie das anwesend sein bei Versammlungen. Es besteht nicht die Möglichkeit, ohne der Gefahr von Strafe, freie Entscheidungen zu treffen. Zwar haben wir es hier mit einem mehr oder weniger sicheren System zu tun, dass den Menschen die gewünschte Sicherheit gibt, andererseits mit einem unnatürlichen System, welches hohen Aufwand benötigt um aufrecht erhalten zu werden.
Im Gegensatz dazu haben wir in zahlreichen Beschreibungen der Erdenbewohnern das Gesellschaftssystem der Marskolonien beschrieben. So erfahren wir von Vince Strikerock, dass auf dem Mars jeder ein Wahlrecht hätte, sogar „things with eight legs and stingers“.2 Es soll ein Ort voll von „warm hospitality“ sein, ein Ort an dem „you’re your own boss […], free to work your farm land, believe your own beliefs, become yourself.” 3 Auf der Erde spricht man von Mars wie von einem Paradies, einem natürlichen Paradies, fern ab von den strengen Regeln der Erdengesellschaft, ihren Auflagen, was man zu tun hat wenn man einer bestimmten Klasse angehört. Es ist ein Gesellschaftssystem in dem keine von Menschen vorgegebenen Regeln zählen, sondern das natürliche Selbst sein. Also ein natürliches System? Ein System in dem man der Freiheit näher ist, dafür aber mit dem Gefühl der Sicherheit bezahlen muss? Kann man das System auf dem Mars als ein System der Entropie bezeichnen? Ein System in dem jeder zu seiner natürlichen Art zurück kehrt, sich aus der Kontrolle, die Chaos und Unberechenbarkeit, sprich Gefahr, verhindern soll, herauswagt? Das Leben in den Kolonien wird als keinesfalls leicht dargestellt. Immer wieder werden widrige Umständen erwähnt, man arbeitet als Farmer, kämpft mit neuen Stimuli. Es ist das Leben eines Pioniers, das jedoch auch des Komforts von Sicherheit entbehrt.
Interessant genauer zu betrachten bleibt der ewige Zwiespalt der Menschen die Dick in seinem Roman beschreibt. Zwar wird der Wunsch auf den Mars auszuwandern oft erwähnt, von vielen verschiedenen Menschen, andererseits findet man eine große Masse an Menschen vor, die ohne weiteres bereit ist sich leicht manipulieren und lenken zu lassen von dem auf der Erde vorherrschenden System. So fällt es niemanden auf, dass Nicole eine ständig wechselnde Schauspielerin ist? Oder ist man bereit dieses offensichtliche Fakt zu übergehen, nur um das aufgebaute System der Syntropie, das Sicherheit und Ordnung garantieren soll, zu erhalten? Wie viel ist man bereit in Kauf zu nehmen für dieses System? Und ab wann kommt der Wunsch auf, diesem System zu entkommen? Der Wunsch gleichzeitig Sicherheit und Kontrolle über seine Umwelt zu haben, ebenso wie Freiheit und Natürlichkeit zu bewahren spiegelt sich in diesem Gegensatz wider.
Jedoch bleibt offen, wie bei den meisten von Dicks Geschichten, welches dieser System im Endeffekt besser für den Menschen sein zu scheint.
Alle Zitate aus:
Dick, Philip K.: The Simulacra. Vintage Books: U.S.A. 2002
1) Seite 21
2) Seite 25
3) Seite 49